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Notizen:
Kurt Frei, Familien in Rohrbach am Gießhübel - Stadt Eppingen - 1620-2000; Seite 690-692:
aus der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 13.05.1986.
Welche Bedeutung hat der Zusatz
,,am Gießhubel"?
Die Meinung, es handle sich um einen Hügel oder Berg, ist falsch. Künstlicher Elsenz-Kanal scheint richtig zu sein.
Schon seit Jahrhunderten werden die Urkundenschreiber und sonstige Personen, die einen Adressaten in Rohrbach suchen, zwischen zwei Möglichkeiten hin- und hergerissen, für den Kraichgauort entweder die Bezeichnung "Rohrbach bei Eppingen" oder "Rohrbach am Gießhübel" zu setzen. Zweifellos mußte bisher die erstere Lösung als die postalisch genauere Lösung angesehen werden, während die Bezeichnung mit dem Zusatz "Am Gießhübel" unbedingt die originellere unter den zahlreichen "Rohrbachs" in deutschen Landen ist. So hat sich auch diese Bezeichnung, kurz "Rohrbach a.G." mehr und mehr behauptet. Nur einen großen Nachteil hatte die Angelegenheit bisher zum ausgesprochenen Kummer der Rohrbacher, niemand wußte, wo der besagte "Hübel" zu suchen ist, der nun doch seit so langer Zeit, die genaue Lagebestimmung des Ortes erleichtert.
Zwar gab es schon immer einen Standort, der auf diesen Namen besonders hinwies in der Gestalt der "Gießhübelmühle", am unteren Ende der Elsenz, allerdings auf Sulzfelder Gemarkung gelegen, die gerade hier durch einen kühnen Keil bis an die Landstraße zwischen der heutigen B 293 und dem Ort Rohrbach reicht. Der Name dieser alten Mühle sollte doch für einen Heimatforscher ein ausreichender Hinweis sein, in der Nähe auch den gleichnamigen Hübel zu finden, wobei das Wort "Hubel" gleichbedeutend mit "Hügel" oder "Berg" verstanden wird. Offenbar ein Irrtum, wie der Nachforschende bald feststellen muß, denn alle Kraichgauhügel in der Umgebung der Gießhübelmühle haben eindeutig andere Bezeichnungen, deren Überlieferung man von alters her durch entsprechende Urkunden verfolgen kann.
Wo also befindet sich dieser ominöse "Gießhübel" auf Rohrbacher Gemarkung, denn daß dieser auf einer auswärtigen Flur steht, das möchte ein echter Rohrbacher wohl kaum glauben. Hinweise über den Standort sind aus alter Zeit nicht mehr bekannt. Die mündliche Überlieferung ist im Laufe der Jahrhunderte wohl abgerissen. Sie wieder aufzuspüren, dazu soll dieser Versuch einer Deutung dienen.
Das Rohrbacher Heimatbuch von 1973 beruft sich auf die Sinsheimer Klosterchronik um 1170, in der "Rohrbach am Gißwbel prope Eppingen" erstmals mit dieser Bezeichnung genannt ist. Franz Gehrig hat diese Urkunde wegen ihrer Datierung in Zweifel gezogen, da es sich nur um eine Abschrift des ehemals vorhandenen Originals handelt, das nach der Kopie von Archivdirektor Mone (Karlsruhe) im vorigen Jahrhundert verschollen ist. Der Chronist in dem genannten Werk geht daher auf Nummer sicher, wenn er die noch vorhandene älteste Urkunde aus dem Jahre 1252, als Beginn des urkundlichen Bestehens von Rohrbach annimmt. Berthold Ritter "Golere de Raphensberg" hat hier das Dorf Rohrbach, ganz ohne jeden Zusatz genannt. 1338 schreibt Engelhart von Weinsberg über "das Dorf Rohrbach bei Eppingen gelegen", ebenso heißt es "Rohrbach bei Eppingen" in einer Urkunde vom 17. Oktober 1385. Allerdings lesen wir es in einer Urkunde aus dem gleichen Jahre und zwar vom 21. März 1385 anders, nämlich "Rohrbach bey dem Gyshobel". Wie bereits gesagt, setzte sich dann dies Bezeichnung in verschiedenen Schreibweisen in der Folgezeit mehr und mehr durch.
Bei einer genaueren Untersuchung der Herkunft und Bedeutung des Wortes "Gießhübel" kommt man bereits zur Ansicht, daß der zweite Teil des Wortes nicht unbedingt mit "Hügel" oder gar Berg gleichzusetzen ist. Gerade auf Rohrbacher Gemarkung begegnet man der Bezeichnung "Stadelsbühl", womit einer der dort recht zahlreichen Kraichgauhügel einen sehr beziehungsreichen geschichtlichen Namen über die Jahrhunderte bewahrt hat. Ein Hübel ist wohl eine kleinere Erhöhung, gar eine Bodenwelle oder dergleichen, wie es aus dem der rheinfränkischen Mundart eigenen Verständnis dieses Wortes, nämlich "Hubbel", ganz eindeutig geschlossen werden kann.
Der Wortteil "Gieß-" führt noch weiter. Herkommend aus dem mittelhochdeutschen Sprachschatz ist "giessen" gleichzusetzen mit "fließen", wenn auch heute die letztere Bezeichnung weitaus häufiger angewandt wird als der ältere Stamm. Die Anwendung zu dem Begriff "Gießkanne" ist wohl noch ein solch erhalten gebliebenes Relikt aus früherer Zeit. Aber deutlicher wird die ursprüngliche Bedeutung unterstrichen, wenn man an das "gießen" des fließenden Metalls denkt. Daher sind die in den alten Gemarkungsbeschreibungen vorhandenen und immer wieder, beispielsweise als Grenzlinien, wiederkehrenden Bezeichnungen der "Gießgräben" in diesem Zusammenhang besonders zu beachten. Bei einem Vergleich dieser Bezeichnungen auf Gemarkung Mühlbach ist mir aufgefallen, daß es sich durchweg um heute noch vorhandene fließende Gewässer handelte, keinesfalls um Gräben zur Entnahme von Gießwasser, das übrigens 1812 noch bei dem damaligen Stand der Gartenbewirtschaftung sicher noch nicht so gefragt war.
Die natürlichen Wasserläufe, um solche handelte es sich bei der besagten Beschreibung ausnahmlos, hießen also 1812 im amtlichen Lagerbuch "Gießgraben". Liegt da nicht der Schluß nahe, daß es sich beim "Gießhübel" ebenfalls um einen Wasserlauf handeln mußte, mit dem Unterschied, daß dieser ein künstlicher, auf einen "Hubbel" gelegter, Fließkanal war? Dies ist in der Tat der Fall, wie ein Vergleich auf Gemarkung Speyer beweist. Der Speyerbach, von Hochspeyer über Neustadt kommend, hat der ehemaligen römischen "Civitas Nemetum" seinen heutigen Namen gegeben. Sein unterer Teil ist, etwa ab dem Ort Ginsheim, als künstlicher, auf Dämmen liegender Kanal angelegt, der genau auf den Domhügel zugeführt und dessen Anlage noch den Römern zugeschrieben wird, was allerdings nicht gesichert ist. Dieser künstliche Teil wird seit Jahrhunderten "Gießhübel", genau wie der Zusatz zu unserem Rohrbach, genannt.
Damit ist die Erklärung für den Beinamen Rohrbachs gefunden, zumal hier ähnliche Voraussetzungen gegeben waren, wie beim Speyerbach. Die unterhalb Rohrbachs gelegenen Mühlen an der Elsenz, die alte Gipsmühle am Schloß ( heute Leopold Heitlinger ) sowie die noch den beziehungsreichen Namen "Gießhübelmühle" tragende Mahlmühle weiter unten, wurden durch künstliche Wasserzuleitungen versorgt . Im letzteren Fall wurde die ganze Elsenz in ein künstliches Bett gezwungen und der Mühle zugeleitet. Besonders deutlich ist diese Situation noch aus der ersten amtlichen Grundkarte der badischen Landesvermessung aus dem Jahre 1864 zu erkennen. Hier ist sowohl der künstlich höher gelegte neue Wasserlauf, als auch das alte natürliche Bett der Elsenz erkennbar. Etwa auf der Höhe des beginnenden Gewanns "Langenthal" zum "Nägelnsee" hin war ein Wehr angebracht. Führte die Elsenz Hochwasser, leitete dieses Wehr das überschüssige Wasser in das alte Flußbett und hielt damit von der Mühle die Hochwassergefahr zurück.
Von wem und wann diese "Wasserkünste" auf Rohrbacher Gemarkung angelegt wurden, wissen wir nicht. Da wir sie aber ruhig mit dem Namen "Gießhübel" identifiziern können, ist ihr Vorhandensein bereits in mittelalterlichen Urkunden bestätigt worden. Die Parallele mit der Bezeichnung in Speyer und die Verbindung, die Rohrbach über das Stift Odenheim mit Bistum und Stadt hatte, sind ein weiteres Indiz. Das Wasserbauwerk muß für die ganze Gegend beeindruckend gewesen sein, sonst hätte es den urkundenden Personen und Schreibern nicht zur Bestimmung des Ortes mit diesem Beinamen gedient.
Rohrbach 4 aus Kurt Frei, Familien in Rohrbach am Gießhübel (OFB), Seite 665: Gesamtansicht von Rohrbach, Bilder des Einbandes wurde gemalt von Georg Mildenberger nach Fotografie von Helmut Dinkel und Otto Kuhmann
Rohrbach Wappen aus Kurt Frei, Familien in Rohrbach am Gießhübel (OFB), Seite 665: Gesamtansicht von Rohrbach, Bilder des Einbandes wurde gemalt von Georg Mildenberger nach Fotografie von Helmut Dinkel und Otto Kuhmann
Rohrbach 1 aus Kurt Frei, Familien in Rohrbach am Gießhübel (OFB), Seite 665: Gesamtansicht von Rohrbach, Federzeichnung von Hans Drechsler, Eppingen
Rohrbach 2 aus Kurt Frei, Familien in Rohrbach am Gießhübel (OFB), Seite 665: Gesamtansicht von Rohrbach, Bild von Helmut Dinkel
Rohrbach 3 aus Kurt Frei, Familien in Rohrbach am Gießhübel (OFB), Seite 665: Gesamtansicht von Rohrbach, Bilder des Einbandes wurde gemalt von Georg Mildenberger nach Fotografie von Helmut Dinkel und Otto Kuhmann