Familienstiftungen Paul Wolfgang Merkel und Werner Zeller
 Unsere Familie

Anna KOSTKA

Anna KOSTKA[1]

weiblich 1905 - 1997  (91 Jahre)

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  • Name Anna KOSTKA 
    Geburt 13 Sep 1905  Heiligeneich,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Geschlecht weiblich 
    Tod 13 Mrz 1997  Wien,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Personen-Kennung I141545  Merkel-Zeller
    Zuletzt bearbeitet am 16 Jun 2020 

    Vater Leopold KOSTKA,   geb. 12 Dez 1871, Michelndorf,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Mutter Josefa SCHARF,   geb. 22 Nov 1871, Trasdorf,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 20 Sep 1944, Erpersdorf,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 72 Jahre) 
    Familien-Kennung F63058  Familienblatt  |  Familientafel

    Familie Wilhelm Kaspar STOLZ,   geb. 06 Jan 1904, Wien,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 12 Okt 1980, Wien,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 76 Jahre) 
    Kinder 
     1. Harald Willi STOLZ,   geb. 01 Jul 1934, Wien,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 06 Apr 1992, Wien,,,,, Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 57 Jahre)
     2. Gesperrt
    Zuletzt bearbeitet am 18 Jun 2020 
    Familien-Kennung F62847  Familienblatt  |  Familientafel

  • Notizen 
    • katholisch ("Gottgläubig"), kurz konfessionslos; hat 7 Jahre lang bei Anna (Scharf) Felber gelebt;
      Wohnte
      1905 - 1907 in Heiligeneich (Haus)
      1907 - 1909 in Zwentendorf (Mietwohnung)
      1909 - 1917 in Erpersdorf, Bezirk Zwentendorf (Haus, ca. 40 m²)
      1917 - 1918 in 1130 Wien (Ober St. Veit), Amaliensraße 2/2/11 (bei Tante Anna (Scharf) Felber, ca. 25 m²)
      1918 - 1932 in 1210 Wien, Kagranerplatz 40 (Untermiete bei Onkel Leo?, ca. 35 m²))
      1932 - 1941 in 1220 Wien, Erzherzog Karl Straße 75/2/2 (Gemeindewohnug, ca. 25 m²)
      1941 - 1945 in 1210 (Kaisermühlen), Linnégasse 19 (Gemeindewohnung, ca. 40 m²)
      Bayern: Buch am Buchrain, Haus Nr. 150
      1945 - 1947 in 1220 Wien, Magdeburgstraße 34 (Genossenschaftswohnung/Untermiete bei Tonschi, ca. 80 m²)
      1947 - 1959 in 1100 Wien (Rothneusiedel), Liesingbachstraße (Dienstwohnung, ca. 60 m²)
      1959 - 1961 in ? (Dienstwohnung, ca. 50 m²)
      1961bis zu ihrem Tod am 13.3.1998 in 1100 Wien, Favoritenstraße 219a/36 (Eigentum, ca. 38 m²)
      Ausbildung/Arbeit
      1911 - 1918 7 Klassen Schule
      1918 - 1928 diverse kurzfristige arbeiten, dazwischen immer wiede arbeitslos
      1928 - 1934 Schneiderin in Schneiderei
      1934 - 1959 Kinderbetreuung
      1959 - 1961 Hausbesorger in Zinshaus
      seit 1961 Haushalt
      Omi: "Ich könnte Bücher schreiben, über das, was ich erlebt habe."
      Micki: "Na dann erzähl´ - wir schreiben es auf!"
      Die Wohnung in Kaisermühlen wurde gegen die zwei Wohungen in der Erzherzogkarlstraße und in Ober St. Veit eingetauscht. Wir mußten daher die Tante bei uns aufnehemen. Ich bat die Tante, daß wenigstens Harry bei ihr im Zimmer bleiben kann, weil es sehr eng in der Wohnung war und Willi zu dieser Zeit auf die Welt kam.
      Schon während der Schwangerschaft hatte ich Magenschmerzen (konnte nichts bei mir behalten). Nach der Geburt hatte ich täglich wochenlang Choliken. Als Willi 6 Monate alt war, wurde ich ins Spital zur Magenoperation eingewiesen (Dezember 1943). Ich mußte aber Willi irgendwo unterbringen. Schon bei der Einweisung ins Kinderheim hatte er jedoch Keuchhustenanfälle (Erzieher dort sagten, daß das eh nichts wäre). Als ich Willi so rasch wie möglich nach der Operation geholt hatte, war er krank und hatte überhaupt nichts "zugelegt".
      Im Krieg wollten wir zu Tonschi nach Lofer fliehen, kamen aber nur nach Völklabruck und wurden in einen Eisenbahnwagon gepfercht und nach Bayern zwangsverschickt. Dort wurden wir nur ungern aufgenommen und immer angefeindet. Willi litt unter Durchfall.
      Nach einem halben Jahr kehrten wir nach Wien zurück. In unserer Wohnung hauste inzwischen ein Kommunist, der seinen Zuweisungsschein zu dieser Wohnung zeigte und garnicht ans Ausziehen dachte. Das Schwein, das im Hof zurückgeblieben war, hatte er abgestochen und mit seinen Kommunistenfreunden geteilt.
      Da wir nun keine Wohnung hatten, zogen wir zu Wicki, die das Haus in der Magdburgstraße "bewachte".
      Opa (Wilhelm Kasper) wurde wegen Kriegsverbrechen gesucht. Er soll 2 Arbeiter mit einer Stange geschlagen haben. Um die Sache richtig zu stellen, ist er zur Behörde in Stadlau gegangen und hat erzählt, was sich tatsächlich zugetragen hat (die Arbeiter sind mit der Stange auf ihn losgegangen, er hat sie ihnen entrissen und sie mit Faustschlägen in die Flucht geschlagen). Nach einer Gegenüberstellung war er wieder rehabilitiert. Er bekam eine Stelle bei Schlosser Schwarz in der Wagramerstraße, wo er Fensterriegel von Schulen und öffentlichen Gebäuden reparierte.
      Als Tonschi von Lofer zurückkam, wurde es zu eng im Haus und Wicki zog wieder in ihre Wohnung in der Brigittenauerstraße (diese war inzwischen zwar auch anderen Leuten zugewiesen worden, aber Wicki bekam sie trotzdem). Als ich Rippenfellentzündung bekam, meinte Tonschi zu mir: "Ich bitt´ dich, mach ka krax´n!" Tonschi ging arbeiten, da sie an ihrer alten Stelle wieder aufgenommen wurde. Ich passte auf die Kinder auf. Harry ging in die Natorpschule (Schule I), Monika, Ingrid und Willi brachte ich in den Kindergarten. Zu dieser Zeit spritzte Ingrid(?) Willi (ca. 2 1/2 Jahre alt) mit kaltem Wasser aus dem Gartenschlauch an. Daraufhin bekam dieser gerade dann 40°C Fieber, als ich ihn das erste Mal in den Kindergarten bringen wollte. Nach einer Woche ohne Fieber, begann er wieder zu fiebern (wieder 40°C), als ich das nächste Mal versuchte, ihn in den Kindergarten zu bringen. Dazu kam noch eine Rippenfellentzündung.
      1945 ist der Kaugummi durch die Amis aufgekommen. Die "lieben Kleinen" haben sich damit die Haare verpickt und ich mußte die verklebten Haarbüschel herausschneiden.
      Opa war Werkmeister, ist aber als Arbeiter bezahlt worden. Dafür hat er eine Wohnung in Rothneusiedel, in der Liesingbachstraße bekommen. Diese bestand nur aus Küche und Kabinett. Mit Einwilligung seines Chefs hat er zwei weitere Zimmer angebaut und Strom eingeleitet. Sein Bruder Karl hat ihm einen Herd (mit zwei Backrohren!) aus einem Gebrauchtwahrenladen vermittelt, für den Opa - abermals mit der Bewilligung seines Chefs - Starkstrom eingeleitet hat. Später baute er noch ein unterkellertes Zimmer an.
      Edith (Mittermayer/Mondgesicht) stand eines Tages vor der Tür und wollte bei mir und Opa wohnen. Ich war nicht gerade begeistert davon und hat gemeint: "Wenn Du mit Harry oder Willi ein Panscherl anfängst, fliegst Du raus!" Edith war sehr heikel und wollte nur mageres Fleisch. Nach 5 Jahren hat sie ihren Onkel, Martin Schmied, getroffen und blieb immer öfter von zu Hause weg. Von mir auf diese Situation angesprochen, meinte sie: "Mein Onkel will mich adoptieren." Martin war 30 Jahre älter als Edith. Edith zog zu ihm. Ich wollt wissen, als was sie bei ihm gemeldet ist. Es stellte sich heraus, daß sie als seine Lebensgefähtin gemeldet war. Ich meinte, daß sie schleunigst heiraten sollten. Kurz darauf wurden Edith und Martin standesamtlich getraut. Martin ist zweieihalb Jahre später gestorben.
      Mit 15/16 Jahren hatte Willi sehr starke Akne. Besonders im Gesicht und auf dem Rücken. Überall haben sich blutgefüllte Blasen gebildet.
      Nach der Matura von Willi bin ich in Bedienung gegangen, um Willi das Studium finanzieren zu können. Dieser hat sich zuerst nicht zu sagen getraut, daß er Chemie studieren will. Eine Bekannte hat mir aber erzählt, daß dies sein größter Wunsch wäre.
      Während der Studienzeit hatte ich mich einmal aus der Wonung ausgesperrt. Ich fuhr zu Willi auf die Uni, um seinen Schlüssel zu holen. "Da hats´s geraucht und gestunken!" Ein Uniangestellter hat mich zu Willis Arbeitsplatz geführt. Willi hat mich dann wieder hinausgeführt. Ich hätte nicht hinausgefunden!
      Nach der Hochzeit mit Hilde begannen Willis Magenprobleme. Mit Beziehungen kam er ins Krankenheaus. Ein Geschwür drückte auf die Bauchspeicheldrüse. Während der Operation, bei der die Magensonde entfernt werden sollte, wurde diese gekappt und der Rest verblieb im Körper. Die Ärzte versuchten den Rest unter dem Röntgenschirm zu entfernen - schafften es aber nicht, da die Sonde mit angenäht worden war. In einer 2. Operation wurde dieser Pfusch behoben und der Sondenrest entfernt.
      Michaela Stolz:
      Leider konnte uns Anna nicht mehr aus ihrem Leben berichten, da sie ganz unerwartet von uns gegangen ist:
      Am Donnerstag den 12.3.1998 besuchten Papa und ich mit Florian Omi. Wir kamen ca. um 10.00 Uhr. Omi war gut aufgelegt und schien keine besonderen Beschwerden zu haben. Sie plauderte mit uns. Papa legte sich für ein Nickerchen auf die Couch und Omi machte sich daran für mich Orangensaft zu pressen (Sie ließ sich nicht davon abbringen, obwohl ich gemeint habe, daß Florian einen roten Popsch davon bekommt). Um ca 11.00 Uhr hatte Omi plötzlich Atembeschwerden. Sie nahm ein Pulver und ging wieder in die Küche Orangensaftpressen. Als die Beschwerden nach ca. 5 Minuten immer noch nicht nachgelassen hatte, setzte sie sich zu Florian und mir und meinte auf meine Frage, ob ich ihr etwas helfen könnte: "Es ist in ein paar Minuten wiedervorbei". Sie entschuldigte sich, mir einem Schrecken eingejagt zu haben. Als es ihr nach ca. einer viertel Stunde wirklich etwas besser ging, stürzte sie sofort wieder in die Küche, um den Orangensaft fertig zu pressen und mir ein Mittagessen zu machen. Omi spürte, daß es ihr doch noch nicht ganz gut ging und bat mich, mir selber das Essen zu kochen. Ich setzte Florian zu ihr auf die Couch. Während ich die Küche etwas säuberte und das Essen wärmte (die berühmten Knödel mit Ei), unterhielt sich Omi mit Florian, der sie ganz erfreut anlachte (was er meistens tat, wenn Omi mit ihm gesprochen hat). Wie jedes Mal meinte sie: "Daß ich das noch erleben darf; dafür bin ich so alt geworden!" Als ich mit dem Essen fertig war schien es Omi wieder schlechter zu gehn. Sie mußte brechen und hatte sehr starke Bauchschmerzen. Noch nie - sagte sie - hat ihr etwas so weh getan. Papa rief die Rettung nachdem sich ihr Zustand nach einer Stunde nicht gebessert hat (wir dachten an eine Gallencholik). Zuerst kamen nur Sanitäter. Der Krankenwagen mit Notarzt ließ auf sich warten. Nach mindestens einer halben bis dreiviertel Stunde Wartezeit entschlossen sich die Sanitäter Omi ohne notärztliche Erstversorgong (Infusion) ins Spital zu bringen. Papa fuhr mit ins Spital. Nach einer zweistündigen Untersuchung konnte keine Ursache für Omis Beschwerden gefunden werden. Am nächsten Tag in der Früh konnte sie nach einem Einlauf wieder normal aufs Klo gehn. Als die Ärzte zur Vormittagsvisite ins Zimmer kamen feierte Omi bereits ein freudiges Wiedersehn mit all ihren Brüdern und Schwestern, mit ihrem Mann Willi und ihrem Sohn Harry ...
      Niedergeschrieben von Karin Stolz:
      Am 13.09.1905 kam Anna Kostka - meine Omi - in Heiligeneich, NÖ zur Welt. Tochter von Leopold Kostka und Josefa. Sie war das 5. Kind nach Leo, Josefine (Tante Fini) und den Zwillingen Hans und Toni. Später sollte sie noch eine Schwester bekommen: Barbara (Wetti).
      Drei Jahre lebte die Familie in Heiligeneich bis mein Vater in Erpersdorf ein kleines Haus kaufte, denn statt der 800 Gulden Heiratsgut bekam er nur 500, und das Haus ist, was er darum bekam.
      Die Zwillinge machten eine Bäcker-Lehre, Leo lernte Tischler in Tulln und Fine war ein Stuben und Kindermädl.
      Während des 1. Weltkrieges war der Vater eingerückt in Roveraho (Gardasee). Als Zimmermann mußte er Hochstände bauen, damit man nach Italien schauen konnte. Auch Leo mußte einrücken. Man versprach ihm, er werde zur Infanterie kommen, aber die Offiziere haben ihr Wort nicht gehalten. Er kam zur Marine und das erste Schiff auf dem er diente wurde beschossen und ist untergegangen. 40 wurden gerettet und er war auch dabei. Auch das 2. Schiff auf das er kam wurde beschossen.
      Während dieser Zeit waren Wetti und ich bei der Mutter Zuhause. Die Mutter hat einen kleinen Acker gepachtet und dort Erdäpfel angebaut. Der Weg dorthin war 1 Stunde zu Fuß. Von dort brachte sie mit einem Schubkarren mit Trageband und der Mistgabel Kartoffel nach Hause. In der Nähe war ein Gefangenlager mit Rumänen und Polen. Sie bettelten um Kartoffeln, viele sind verhungert. Noch dazu gab es eine Hasen- und Hendelpest. Es war wenig zu Essen da. Wir beneideten die Leute aus der Stadt um ihr Kukeruz-Brot.
      1920, mit 15 Jahren, bin ich in eine Nähschule in die Schickgasse in Wien 21 gekommen. Während dieser 13 Monate lebte ich bei meinem Bruder Leo, dessen Frau Anni, die ich aber Tante Anni nannte, und per Sie ansprach und deren Kinder Erwin und Mutz am Kagranerplatz 41. Auch die Eltern habe ich noch in der dritten Person angesprochen, wie zum Beispiel : "Mutter, könnt Sie mir bitte helfen?"
      Während dieser Zeit herrschte große Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit als Folgeerscheinung des 1918 zu Ende gegangenen 1. Weltkrieges. In der Karlskaserne wurden Wohnungen eingerichtet. Wer keine Arbeit hatte, ging zum Bundesheer. So auch die Zwillingsbrüder Toni und Hans. Sie kamen zu den Pionieren und bauten Behelfsbrücken über Flüsse und Bäche.
      In der Karlskaserne wurde alle paar Monate im Festsaal Laientheater gespielt "3 Mäderlhaus", "Sperlsechserl", "Nullerl". Ich besuchte diese Veranstaltungen mit meinem Buder und der Schwägerin. Allein wäre es auch undenkbar gewesen. Opa spielte dort in kleineren Rollen mit. Die Aufführungen wurden von den Jungsozialisten veranstaltet und durchgeführt. Tante Mutz, meine Nichte war damals ein Baby und ich hielt sie während der Aufführung im Arm.
      Leo und Opa waren Parteigenossen. Um mit Opa ins Gespräch zu kommen, habe ich Baby-Mutz gezwickt, so das sie zu schreien begonnen hat, und ich mit dem Baby hinausgehen mußte. Ich habe nämlich bemerkt, daß sich Opa draußen in der Garderobe aufhielt. So sind wir ins Gespräch gekommen. Ich war damals 16 Jahre alt. Eine platonische Freundschaft entwickelte sich, die über Jahre anhielt. Wir trafen uns alle paar Monate, dann auch wieder über ein Jahr nicht. Opa schrieb mir von seinen Mäderln, deren Bekanntschaft er als fescher Mann und Sänger beim Straßenbahnersängerbund (in Uniform) leicht machte.
      Nachdem ich die Nähschule als Maßschneiderin und Weißnäherin beendet hatte, zog ich 1921 zu meiner Tante Anna Felber (die Schwester meiner Mutter) und Onkel Johann, die keine Kinder hatten, nach Ober St. Veit und blieb dort bis 1932. Der Onkel war Fiaker und hat ausschließlich den Direktor der Creditanstalt geführt. Nur wenn die großen Hoffeste beim Kaiser stattfanden, hat Onkel Johann auch diese kutschiert.
      Die Nachbarin der Tante hatte ein Posamentriegeschäft am Petersplatz. Sie verkaufte dort Quasten, Borden, Fransen und ähnliches Schneiderzubehör. Sie hat mir versprochen, daß sie mir eine Arbeitsstelle bei einer ihrer Kundinnen verschaffen wird. In der Übergangszeit könne ich ihr dafür die Wohnung sauber halten. Über ein Jahr habe ich an dieses Versprechen geglaubt und putzte jeden Tag die Wohnung der Nachbarin. Dann ist mir aber klar geworden, daß die Nachbarin nie eine Stelle für mich finden wird, da sie ja sonst ihr "Stubenmädel" verlieren würde. Also habe ich mich selbst auf die Suche nach einer Arbeit als Schneiderin gemacht.
      Meine erste Stelle fand ich in der Pilgramgasse als Konvektionsnäherin von Seidentrikotkleider. Dort waren 5 Schneiderinnen beschäftigt. Meine neuen Kolleginnen jammerten jeden Tag, daß sie zu wenig Gehalt bekämen, nämlich unter dem Kollektivvertrag. Also bin ich eines Tages während der Mittagszeit aus Mitleid für meine Kolleginnen zur Gewerkschaft gegangen und habe von dort den gültigen Kollektivvertrag geholt. Den habe ich dann auf den Schreibtisch von der Chefin gelegt. Es hat nicht lange gedauert bis sie ihn fand, sich vor die Näherinnen aufstellte und mit dem Kollektivvertrag wedelnd fragte: "Wer war das?" Selbstverständlich meldete ich mich und wurde daraufhin 14 Tage in Urlaub geschickt. Zur Zeit sei zu wenig Arbeit für 5 Näherinnen, aber in 14 Tagen wird es wieder etwas zu tun geben und dann wird die Chefin anrufen, damit ich meine Arbeit wieder aufnehmen kann. Ich habe nie wieder etwas von diesem Geschäft gehört und somit war ich meine erste Arbeit nach einem halben Jahr bereits wieder los.
      Dann habe ich in Meidling bei einem Privatschneider in einer Maßschneiderei für Mäntel und Kleider begonnen und verdiente dort ÖS 15,-, auch das war unterbezahlt. Später erhöhte man mein Gehalt auf ÖS 16,-, was auch für damalige Verhältnisse ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Ich bin aber trotzdem 1,5 Jahre dort geblieben, bis ich eine Anzeige von einem Strickereigeschäft gelesen habe, das seine Näherin für Strickkostüme suchte. In der Mittagspause bin ich mich dorthin in die Seidengasse, im 7. Bezirk vorstellen gegangen und bekam die Arbeit. Meinem Maßschneider habe ich erzählt, daß ich aus gesundheitlichen Gründen die Arbeit aufgeben müsse. Ich leide an einem Lungenspitzenkatharr, habe ich gesagt, und werde zukünftig als Stubenmädel arbeiten. In der Strickerei habe ich dann ÖS 25,- verdient.
      Doch auch dort bin ich nicht lange geblieben. Nach einem halben Jahr mußten auch hier wegen der schlechten Geschäfte Mitarbeiter gekündigt werden. Die Wahl fiel auf meine Kollegin Frau Kaschubek, die bitterlich zu weinen begonnen hat, da sie von ihrem Gehalt ihre Kinder versorgen mußte und neue Arbeit schwer zu finden war. Daraufhin meldete ich mich, und bot meinen Arbeitsplatz für den der Kaschubek an. Die Antwort der Chefin war ein zynisches Lächeln: " Nagut Frau Kostka, dann gehen Sie halt nicht statt der Kaschubek - sondern mit ihr".
      Nun war auch ich wieder arbeitslos und 1926 wurde es immer schwieriger, Arbeit zu finden. Die Arbeitsuche wurde erschwert, da wenn man in der Vorstadt gelernt hatte, bekam man in der Stadt keine Arbeit - ein Vorurteil gegen die Provinz.
      Kurzfristig habe ich dann doch eine Stelle als Näherin gefunden, aber nach 5 Wochen bin ich von dort wieder fort, denn die Kolleginnen haben mich ausgegrenzt und mich links liegen gelassen. Da habe ich mein sicheres Einkommen lieber aufgegeben, als an diesem bösartigen Betriebsklima zu leiden.
      Während dieser arbeitslosen Zeit habe ich den Haushalt der Tante geführt und half ihr auch, indem ich ihren Ischias mit Saugnäpfen behandelte. Über einer Spiritusflamme erwärmte ich zu diesem Zweck gläserne Saugnäpfe, die ich dann der Tante auf den Rücken aufsetzt habe. Durch die heiße Luft wurde die Haut angesaugt, errötet und nach einiger Zeit, wenn die Saugwirkung nachließ, fielen die gläsernen Näpfe ab.
      Eigentlich hätte Opa ja, wenn es nach dem Wunsch seines Vaters (Urgroßvater Karl) gegangen wäre Straßenbahner werden sollen. Denn dieser war zwar zuerst Jäger, aber dann selbst Straßenbahner. Der Bruder von seinem Vater (Anton), war Generalstellvertreter der Straßenbahn. Jedenfalls nahm der Vater dem Opa, als es Zeit war, eine Lehre zu beginnen, mit zur Straßenbahnremis in die Ralgasse um ihn dort vorzustellen. Aber Opa hat sich kurz entschlossen vor dem Tor umgedreht und rannte weg. Er wollte einfach keine Uniform tragen. Daraufhin kam er in eine Schlosserlehre. Der Lehrherr gab ihm, wie damals üblich Kost und Quartier.
      Seine Abneigung gegen Uniformen hat ihn aber nicht gehindert, eine als Sänger zu tragen. Der Straßenbahnersängerbund unternahm auch von Zeit zu Zeit Ausflüge. Einmal fuhr man mit dem Schiff in die Wachau. Beim gemischten Chor hat er auf eine Sängerin einen besonderen Eindruck gemacht. Und da er eine Uniform anhatte, glaube die junge Frau einem Beamten schöne Augen zu machen. Das war im Jahr 1926 und neun Monate später kam Edith zur Welt. Da Opa kein Beamter war, wollte ihn die junge Frau ihn nicht heiraten, da sie höhere Erwartungen ans Leben stellte und Opa hatte somit eine uneheliche Tochter. All das hat er mir in seinen Briefen geschrieben.
      Opa wohnte während dieser Zeit mit seinen Eltern, seiner Schwester Wicki, ihrem Mann Leo, deren Sohn Richard, seinen Schwestern Dontschi und Rosi in einem kleinen Siedlungshaus der Arbeitersiedlung. Aus eigener Kraft“ in Neukagran. Alle die dort wohnten, arbeitete als Maurer oder Zimmermann 2000 Stunden in der Gemeindesiedllung. Auch Opa arbeitete mit und schlief im Wohnzimmer. 1917 kam Franz als jüngster Buder noch dazu..
      1928 waren wir beide arbeitslos. Opa bekam dann eine Stelle als Schlosser in Stadtlau bei Waagner Biro und verdiente ÖS 35,-. Davon gab er seinen Eltern ÖS 30,- Kostgeld. Um nicht mittellos in die Ehe zu gehen, kaufte er bei einem Juden, der von Haus zu Haus ging und seine Waren anbot, 3 Hemden, 3 Unterhosen, 1 schwarzen Anzug, 1 Sommeranzug jeweils einen dazu passenden Hut. Er bezahlt die Kleidung von seinen ÖS 5,-, die ihm wöchentlich überblieben auf Raten ab.
      1928 fand auch ich Arbeit als Näherin bei Schoßtal & Härtlein in der Kärntnerstraße. Bei meiner Vorstelllung schien es noch unwahrscheinlich aufgenommen zu werden. Denn als die Direktrice mich der Chefin vorstellte, winkte diese ab mit der Bemerkung: "Sie wissen doch, daß wir nur Näherinnen aufnehmen, die in der Stadt gelernt haben." Der hartnäckigigen Direktrice verdankte ich aber dann doch die Stelle, denn diese kontertete: " Aber Frau Kommerzialrat, die letzten Näherinnen waren alle aus der Stadt und entweder haben wir sie nach 3 Wochen gefeuert, oder sie gingen von selbst. Versuchen wir es doch einfach einmal anders." Ich bekam die Stelle und blieb bis 1934. Ich habe sogar ÖS 41,- verdient, mehr wie der Opa. In dieser Modellwerkstätte arbeiteten wir zu Dritt. Die Direktrice, ich und noch eine Schneiderin. Kunden waren Gäste vom Hotel Bristol und Imperial. Dort wurden von Modellagenturen Modeschauen veranstaltet, wobei die großen Modellhäuser Mitglieder waren und ihre Modelle auch vorführten. Einmal kam eine polnische Jüdin, eine Gräfin und bestellte auf einmal 11 Kleider. In der Auslage hatten wir z.B. ein kornblaues Chanell-Spitzenkleid um ÖS 700,-. Alle Kleider wurden mit der Hand genäht und Saumweiten bis zu 7 m rouliert.
      Am 8. März 1930 heirateten wir. Ich wohnte noch weitere 2 Jahre bei meiner Tante in Ober St. Veit, und Opa mit seiner Familie in Neukagran. Nachdem wir um eine Gemeindewohnung angesucht haben, bestellten wir voller Vorfreude auf der Wr. Messe die ersten Hochklappbetten. Optimistisch nannten wir 6 Monate als Termin für die Lieferung. Es sollte aber noch zwei Jahre dauern, bis die Betten in die neue Wohnung geliefert werden konnten, denn erst 1932 bekamen wir eine Einzimmerwohnung in Neukagran zugewiesen.
      Während dieser Zeit ging Opa nicht nur einmal zu Fuß von Neukagran nach Ober St. Veit, nur um mich zu besuchen. Um 22 Uhr mußte ich, auch als verheiratete Frau zu Hause sein, denn um 22.15 ging die Tante schlafen. Einmal kam ich 5 Minuten nach 22 Uhr und die Tante machte mir im ihrem Schlafkleid ein furchtbar schlechtes Gewissen.
      Wir sahen uns während dieser zwei Jahre nur an zwei Tagen der Woche. Im August 1930 wurde ich schwanger. Die Tante machte mir klar, daß für ein Kind kein Platz in der Wohnung sein würde und die Wohnung von Opas Eltern war mit 7 Personen schon überbelegt. Ein Lungenspitzenkatharr während der Schwangerschaft beendete aber dann alle Probleme, denn bei einer Untersuchung der Gebietskrankenkassa wurde das Kind ohne Vorwarnung abgetrieben.
      1932 wurde Engelberg Dollfuss Bundeskanzler und am 30. Jänner 1933 wurde Adolf Hitler in Deutschland zum Reichskanzler ernannt.
      Dollfuss wandte sich in seinem Programm gegen Kapitalismus, Liberalismus, Marxismus, Nationalsozialismus und Parteienherrschaft und sprach sich für einen sozialen, christlichen Staat auf ständischer Grundlage unter autoritärer Führung aus. Einer autoritären Regierung stand nur noch die Sozialdemokratie im Wege. Die Sozialdemokraten stützten sich auf eine mächtige Parteiorganisation und auf den Schutzbund, der trotz Verbot vom März 33 noch illegal weiterbestand.
      Seit der Machtübernahme Hitlers in Deutschland versuchten auch die Nationalsozialisten in Österreich politischen Einfluß zu bekommen und bekämpften Dolllfuss hartnäckig. Im Mai 33 wurde die KPÖ verboten, im Juni die NSDAP.
      Dollfuss verstärkte die Provokationen gegen die Sozialdemokraten. Er entfernte die demokratisch gewählte Führung der Arbeiterkammern, veranlaßte Waffensuchaktionen und verhaftete die militärischen Führer des aufgelösten Schutzbundes. Am 8. Februar 1934 wurde das Wiener Parteihaus von bewaffneter Exekutive besetzt.
      Der verbotene Schutzbund war in ständiger Alarmbereitschaft und die Partei selbst nahm eine abwartende Haltung ein und war nur dann zu offenen Auseinandersetzungen bereit, falls sie aufgelöst, die Gewerkschaft verboten, das Wiener Rathaus besetzt oder die Einführung einer "faschistischen" Verfassung durchgeführt werden sollte.
      Am 12. Februar kam es dann zu bewaffneten Straßenkämpfen, wobei die Sozialdemokraten die österreichische Bundesverfassung verteidigen wollten.
      An einem Sonntag im Februar tauchten zwei uniformierte Polizisten in unserer Wohnung auf. "Herr Stolz, kommen Sie mit - Es wird nur kurz dauern. Sie sind gleich wieder zurück. Wir haben ein paar Fragen an Sie." Nach zwei Stunden unruhiger Wartezeit machte ich mich auf den Weg in die nächstgelegene Polizeistation. In dem Korb, den ich mithatte, waren frischgemachte Rindsrouladen eingepackt. Opa war daran gewöhnt, um 12.00 Uhr sein Mittagessen zu bekommen.
      Entschuldigen, bitte - Mein Mann, der Herr Stolz ist am Vormittag abgeholt worden, um ein paar Fragen zu beantworten. Jetzt hätt ich da ein Essen für ihn mitgebracht, im Falle daß es noch länger dauert." "Der Herr ist nicht mehr da. Der ist schon lange wieder weg." Weitere Fragen wurden nicht mehr beantwortet. Der Beamte begann geschäftig in Unterlagen zu blättern und ignorierte mich. Da habe ich das erste Mal Angst bekommen, vor der Macht der Staatsorgane. Bis zu dem Zeitpunkt habe ich nur davon Reden gehört, viel für übertrieben gehalten. Ich hab mich umgedreht und bin kurz entschlossen zu meinen Schwiegereltern und hab meinen Schwager Leo um Hilfe gebeten.. Leo machte sich sofort auf die Suche nach Opa. Klapperte alle Polizeireviere ab - niemand gab Auskunft. Wir haben dann tagelang voller Angst gewartet. Opa wurde währenddessen mit anderen Jungsozialisten in eine Zelle gesperrt und immer wieder verhört. Er befand sich im Nebenraum des Polizeizimmers, wo ich die Rindsrouladen zuerst hingebracht habe. Aber er konnte mich nicht hören, und auch wenn, hätte er nichts tun können. Nach einigen Tagen hat man ihn dann in ein Gefängnis nach Simmering gebracht. Dort wollte man ihn immer wieder zwingen ein Gewehr in die Hand zu nehmen und ihn so zu überführen, an den Straßenkämpfen teilgenommen zu haben. Er weigerte sich und leugnete Alles.
      In unserem Gemeindebau wohnte ein Naderer. Er hat Opa angezeigt und gesagt, daß er an einem bewaffneten Straßenkampf teilgenommen hat und auf die Polizei mit einem Gewehr losgegangen ist. Die Verhöre nahmen kein Ende. Immer wieder die gleichen Fragen. Und immer wieder wollte man ihn zwingen, zu zeigen, daß er sehr wohl mit einem Gewehr umzugehen wußte. Drei der anderen Mithäftlinge hielten den Druck nicht aus - sie erhängten sich vor seinen Augen.
      Jonas, der spätere Präsident, war einer der damaligen Jungsozialisten - ein Gesinnungsgenosse. Er hatte aber mehr Glück und wurde nicht verhaftet.
      Nach ein paar Tagen endlich hat Leo den Opa in Simmeringer Gefängnis gefunden. Er durfte ihm sogar frische Wäsche bringen. Als Leo also am nächsten Tag Wäsche zu Opa brachte und dafür gleichzeitig seine Schmutzwäsche mitnehmen durfte, fand ich zu Hause mit Bleistift in die Unterhose geschrieben: Ich war am 3. Feb zu Hause! Sollte auch ich verhört werden, mußten sich unsere Angaben decken. Ich war unsagbar erleichtert, endlich Nachricht von ihm zu haben, zu wissen wo er war. Weitere Kontakte wurden aber nicht mehr erlaubt. Niemand wollte sagen, wie es weitergeht, wann er nach Hause kommen kann. Zu dieser Zeit war Opa Werkmeister bei Waagner Biro. Nach vier Wochen Arrest ließ man ihn ohne Vorankündigung frei.
      Im Jahre 34 wußten die Juden, daß sie nichts Gutes zu erwarten hatten. Mit ÖS 75.000,- konnten sie nach Amerika einreisen. Vorgereiste Verwandte halfen ihnen dabei. Dadurch, daß immer mehr Juden emigrierten, gab es auch immer weniger Kunden in meiner Modellwerkstätte.
      Der Krupnik, ein Modellhaus in der Mariahilferstraße, verkaufte Kleider um ÖS 2,- . Die Kleider bei Grünzweig /Zwieback kosteten ÖS 180 - 200,-. Durch die wirtschaftliche Situation mußte er die Preise reduzieren
      Am 1. Juli 34 kam Harry zur Welt. Nach der Geburt in Gersthof, bekam ich Fieber, und deshalb entließ man mich nicht aus dem Spital. Man suchte und fand meine Krankengeschichte, die im Keller aufbewahrt wurde. Ich bekam 6 Wochen Wochenhilfe von der Gebietskrankenkasse und eine Stillprämie. Mit Fieber ging ich wieder arbeiten.
      Während der Lavendelzeit - das war die Zeit, da die "Lavendelfrauen" auf der Straße frische Lavendel um 20 Groschen das Büschel verkauften - fuhren die reichen Leute auf Urlaub und das bedeutete schlechte, weil kein Geschäft für die Maßschneiderei. Man wurde daher meist nur auf "Saison beschäftig.
      Dann arbeite ich im Modehaus Grünzweig / Zwieback, einem der großen Häuser. Man wollte es dort 14 Tage mit mir versuchen, da sich ja nur kurze Zeugnisse vorzuweisen hatte.
      Die Maße der alten Frau Hübner waren 120 -110-120. Ich mußte ein blaues Georgettkleid mit Vischue (Vollant) übertragen und auf die Modellpuppe anheften.

  • Quellen 
    1. [S68] Stolz, Stolz.